Die Meldung verstößt gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Sorgfaltspflicht). Im Kontext eines Ölfundes in Texas schreibt der Autor: „Klar ist aber, dass die USA dank des Ölschatzes noch lange auf arabisches Öl verzichten können.“
Die USA sind seit Jahrzehnten einer der größten Erdölimporteure der Welt. 2016 importierten sie nach eigenen Regierungsangaben 2,87 Mrd. Barrel Erdöl, davon 644 Mio. Barrel aus den arabischen Staaten Saudi-Arabien, Irak, Kuwait, Libyen, Vereinigte Arabische Emirate und Ägypten (vgl. https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_move_impcus_a2_nus_epc0_im0_mbbl_a.htm).
Irreführend ist in diesem Zusammenhang auch die Überschrift der Meldung: „20 Milliarden Barrel Öl — US-Forscher finden in Texas riesiges Öl-Vorkommen“. Bei einem jährlichen Verbrauch der USA von aktuell ca. 6,5 Mrd. Barrel Öl ist ein „riesiges“ Öl-Vorkommen von 20 Mrd. Barrel innerhalb von 3 Jahren aufgebraucht.
wenn man zugrunde legt, dass nur die 2,87 Mrd. Barrel aus den arabischen Staaten durch die neuen Funde eingespart werden, könnten sie 7 Jahre ohne arabisches Öl auskommen.
Das ist leider nicht so einfach zu rechnen. Tatsächlich verfügten die USA 2016 noch über Ölreserven von 32,8 Mrd. Barrel Öl. Bei einem täglichen Verbrauch von knapp 20 Mio. Barrel Öl kämen die USA theoretisch noch knapp 4,5 Jahre ohne Ölimporte aus, was ich volkswirtschaftlich gesehen nicht gerade als sehr lange bezeichnen würde. Doch die Förderkapazitäten reichen nicht aus, um die täglich benötigte Menge aus der Erde zu pumpen. Bei einer neuen Fundstelle müssen Bohrlöcher und Infrastruktur sowie Pipelines gebaut werden, welche das Öl zu Raffinerien transportieren. Seit 2015 produzieren die Vereinigten Staaten ca. 10 Mio. Barrel Öl täglich. Das ist übrigens deutlich weniger, als noch vor fünf Jahren angekündigt wurde. Der Rest muss importiert werden. Daher handelt es sich bei dem Artikel auf Fokus Online um eine Falschmeldung.
Was mich so ärgert an derartiger Berichterstattung, ist das Weglassen von Hintergrundinformationen und Größenverhältnissen. Bei dem Ölfund in Texas von 20 Mrd. Barrel handelt es sich um Schieferöl. Dieses muss mit der Fracking-Methode erschlossen werden. Je nach Fördergebiet liegen die Kosten für Schieferöl zwischen 30 $ und 90 $ pro Barrel. Zum Vergleich: Die Förderkosten von herkömmlichen Öl in den Staaten Saudi-Arabien, Iran und Irak liegen bei gerade einmal ca. 10 $ pro Barrel. Tatsächlich machen die Unternehmen in der Fracking-Industrie seit Jahren Minus, wie dieser US-amerikanische Bericht zeigt, den man im deutschen Mainstream vergeblich sucht: http://ieefa.org/ieefa-u-s-more-red-flags-on-fracking-focused-companies/.
Erst mit diesen Informationen wird dem Medienkonsumenten gewahr, dass nur ein hoher Ölpreis die Fracking-Industrie kostendeckend arbeiten lässt. Und dann ist es nicht mehr weit, um zu verstehen, aus welchen wirtschaftlichen Überlegungen Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufgekündigt hat, um den Staat erneut mit Sanktionen zu überziehen.
Noch schlimmer sieht es bei den Hintergrundinformationen zu den Förderreserven der USA aus. Vor ein paar Jahren wurde von einem Ölfeld in Utah mit 1,5 Billionen Barrel Öl berichtet. Dabei handelt es sich jedoch um Ölschiefer. Bisher haben sich fast alle Firmen, die versucht haben, dieses Vorkommen wirtschaftlich zu erschließen, aus dem Vorhaben zurückgezogen. Nach heutigem Kenntnisstand und derzeitiger Förderquote ist Ende des nächsten Jahrzehnts Schluss mit den wirtschaftlich förderbaren Reserven in den USA. Dann werden die Vereinigten Staaten vollkommen von Ölimporten abhängig sein.
Diese Grafik aus dem englischsprachigen Wikipedia verdeutlicht die Abhängigkeit der USA von Ölimporten besser als tausend Worte: https://en.wikipedia.org/wiki/Oil_reserves_in_the_United_States#Consumption_and_imports. Die aktuellen Zahlen ruft man am besten bei der US-Regierung ab (US Energy Information Administration). Stand 31.12.2016 werden die nachgewiesenen Ölreserven auf 32,8 Mrd. Barrel geschätzt (https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_crd_pres_dcu_NUS_a.htm). 2016 förderten die USA 3,2 Mrd. Barrel aus der Erde, 2017 3,4 Mrd. Barrel (https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_crd_crpdn_adc_mbbl_a.htm). 2016 und 2017 haben die USA jeweils ca. 2,9 Mrd. Barrel Öl importiert (https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_move_impcus_a2_nus_epc0_im0_mbbl_a.htm).
Immer wieder liest man von riesigen statistischen Reserven in den USA von rund 200 Mrd. Barrel Öl, die jedoch noch nicht entdeckt sind. Es handelt sich also um eine sehr grobe Schätzung.
Die Beschwerde wurde vom Deutschen Presserat abgelehnt mit der Begründung, dass der Beitrag im Focus bereits über ein Jahr alt sei. So findet man diese Falschmeldung wahrscheinlich auch weiterhin noch unter den ersten Treffern bei Google, wenn man nach Informationen zu den Ölreserven in den Vereinigten Staaten sucht.