Beschwerde beim Deutschen Presserat

Mel­dung von Focus Online vom 20.11.2016: “20 Mil­li­ar­den Bar­rel Öl — US-For­scher fin­den in Texas rie­si­ges Öl-Vorkommen”

Die Mel­dung ver­stößt gegen Zif­fer 2 des Pres­se­ko­dex (Sorg­falts­pflicht). Im Kon­text eines Ölfun­des in Texas schreibt der Autor: „Klar ist aber, dass die USA dank des Ölschat­zes noch lan­ge auf ara­bi­sches Öl ver­zich­ten können.“

Die USA sind seit Jahr­zehn­ten einer der größ­ten Erd­öl­im­por­teu­re der Welt. 2016 impor­tier­ten sie nach eige­nen Regie­rungs­an­ga­ben 2,87 Mrd. Bar­rel Erd­öl, davon 644 Mio. Bar­rel aus den ara­bi­schen Staa­ten Sau­di-Ara­bi­en, Irak, Kuwait, Liby­en, Ver­ei­nig­te Ara­bi­sche Emi­ra­te und Ägyp­ten (vgl. https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_move_impcus_a2_nus_epc0_im0_mbbl_a.htm).

Irre­füh­rend ist in die­sem Zusam­men­hang auch die Über­schrift der Mel­dung: „20 Mil­li­ar­den Bar­rel Öl — US-For­scher fin­den in Texas rie­si­ges Öl-Vor­kom­men“. Bei einem jähr­li­chen Ver­brauch der USA von aktu­ell ca. 6,5 Mrd. Bar­rel Öl ist ein „rie­si­ges“ Öl-Vor­kom­men von 20 Mrd. Bar­rel inner­halb von 3 Jah­ren aufgebraucht.

3 Gedanken zu „Beschwerde beim Deutschen Presserat

  1. Eva

    wenn man zugrun­de legt, dass nur die 2,87 Mrd. Bar­rel aus den ara­bi­schen Staa­ten durch die neu­en Fun­de ein­ge­spart wer­den, könn­ten sie 7 Jah­re ohne ara­bi­sches Öl auskommen.

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    1. Karsten Beitragsautor

      Das ist lei­der nicht so ein­fach zu rech­nen. Tat­säch­lich ver­füg­ten die USA 2016 noch über Ölre­ser­ven von 32,8 Mrd. Bar­rel Öl. Bei einem täg­li­chen Ver­brauch von knapp 20 Mio. Bar­rel Öl kämen die USA theo­re­tisch noch knapp 4,5 Jah­re ohne Ölim­por­te aus, was ich volks­wirt­schaft­lich gese­hen nicht gera­de als sehr lan­ge bezeich­nen wür­de. Doch die För­der­ka­pa­zi­tä­ten rei­chen nicht aus, um die täg­lich benö­tig­te Men­ge aus der Erde zu pum­pen. Bei einer neu­en Fund­stel­le müs­sen Bohr­lö­cher und Infra­struk­tur sowie Pipe­lines gebaut wer­den, wel­che das Öl zu Raf­fi­ne­rien trans­por­tie­ren. Seit 2015 pro­du­zie­ren die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ca. 10 Mio. Bar­rel Öl täg­lich. Das ist übri­gens deut­lich weni­ger, als noch vor fünf Jah­ren ange­kün­digt wur­de. Der Rest muss impor­tiert wer­den. Daher han­delt es sich bei dem Arti­kel auf Fokus Online um eine Falschmeldung.

      Was mich so ärgert an der­ar­ti­ger Bericht­erstat­tung, ist das Weg­las­sen von Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und Grö­ßen­ver­hält­nis­sen. Bei dem Ölfund in Texas von 20 Mrd. Bar­rel han­delt es sich um Schie­fer­öl. Die­ses muss mit der Frack­ing-Metho­de erschlos­sen wer­den. Je nach För­der­ge­biet lie­gen die Kos­ten für Schie­fer­öl zwi­schen 30 $ und 90 $ pro Bar­rel. Zum Ver­gleich: Die För­der­kos­ten von her­kömm­li­chen Öl in den Staa­ten Sau­di-Ara­bi­en, Iran und Irak lie­gen bei gera­de ein­mal ca. 10 $ pro Bar­rel. Tat­säch­lich machen die Unter­neh­men in der Frack­ing-Indus­trie seit Jah­ren Minus, wie die­ser US-ame­ri­ka­ni­sche Bericht zeigt, den man im deut­schen Main­stream ver­geb­lich sucht: http://ieefa.org/ieefa-u-s-more-red-flags-on-fracking-focused-companies/.

      Erst mit die­sen Infor­ma­tio­nen wird dem Medi­en­kon­su­men­ten gewahr, dass nur ein hoher Ölpreis die Frack­ing-Indus­trie kos­ten­de­ckend arbei­ten lässt. Und dann ist es nicht mehr weit, um zu ver­ste­hen, aus wel­chen wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen Donald Trump das Atom­ab­kom­men mit dem Iran ein­sei­tig auf­ge­kün­digt hat, um den Staat erneut mit Sank­tio­nen zu überziehen.

      Noch schlim­mer sieht es bei den Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zu den För­der­re­ser­ven der USA aus. Vor ein paar Jah­ren wur­de von einem Ölfeld in Utah mit 1,5 Bil­lio­nen Bar­rel Öl berich­tet. Dabei han­delt es sich jedoch um Ölschie­fer. Bis­her haben sich fast alle Fir­men, die ver­sucht haben, die­ses Vor­kom­men wirt­schaft­lich zu erschlie­ßen, aus dem Vor­ha­ben zurück­ge­zo­gen. Nach heu­ti­gem Kennt­nis­stand und der­zei­ti­ger För­der­quo­te ist Ende des nächs­ten Jahr­zehnts Schluss mit den wirt­schaft­lich för­der­ba­ren Reser­ven in den USA. Dann wer­den die Ver­ei­nig­ten Staa­ten voll­kom­men von Ölim­por­ten abhän­gig sein.

      Die­se Gra­fik aus dem eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia ver­deut­licht die Abhän­gig­keit der USA von Ölim­por­ten bes­ser als tau­send Wor­te: https://en.wikipedia.org/wiki/Oil_reserves_in_the_United_States#Consumption_and_imports. Die aktu­el­len Zah­len ruft man am bes­ten bei der US-Regie­rung ab (US Ener­gy Infor­ma­ti­on Admi­nis­tra­ti­on). Stand 31.12.2016 wer­den die nach­ge­wie­se­nen Ölre­ser­ven auf 32,8 Mrd. Bar­rel geschätzt (https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_crd_pres_dcu_NUS_a.htm). 2016 för­der­ten die USA 3,2 Mrd. Bar­rel aus der Erde, 2017 3,4 Mrd. Bar­rel (https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_crd_crpdn_adc_mbbl_a.htm). 2016 und 2017 haben die USA jeweils ca. 2,9 Mrd. Bar­rel Öl impor­tiert (https://www.eia.gov/dnav/pet/pet_move_impcus_a2_nus_epc0_im0_mbbl_a.htm).

      Immer wie­der liest man von rie­si­gen sta­tis­ti­schen Reser­ven in den USA von rund 200 Mrd. Bar­rel Öl, die jedoch noch nicht ent­deckt sind. Es han­delt sich also um eine sehr gro­be Schätzung.

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  2. Karsten Beitragsautor

    Die Beschwer­de wur­de vom Deut­schen Pres­se­rat abge­lehnt mit der Begrün­dung, dass der Bei­trag im Focus bereits über ein Jahr alt sei. So fin­det man die­se Falsch­mel­dung wahr­schein­lich auch wei­ter­hin noch unter den ers­ten Tref­fern bei Goog­le, wenn man nach Infor­ma­tio­nen zu den Ölre­ser­ven in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten sucht.

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