Wie SPIEGEL ONLINE seine Leserinnen und Leser manipuliert

Eine Aus­wer­tung von 700 auf SPIEGEL ONLINE ver­öf­fent­lich­ten Bei­trä­gen der letz­ten sechs Jah­re zu den The­men Ölför­de­rung, Ölver­brauch, Ölim­port und Ölre­ser­ven der USA ent­larvt die Mani­pu­la­ti­on von SPIEGEL ONLINE

Die USA sind seit Beginn der Ölför­de­rung Ende des 19. Jahr­hun­derts einer der größ­ten Erd­öl­pro­du­zen­ten und gleich­zei­tig der größ­te Erd­öl­ver­brau­cher der Welt. 40 Pro­zent der in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten ver­brauch­ten Pri­mär­ener­gie basie­ren auf Öl. Auf­grund sei­nes immensen Bedarfs ist das Land seit den 1970er Jah­ren auch der größ­te Erd­öl­im­por­teur der Welt. Damit sind die USA abhän­gig von Ölim­por­ten aus Län­dern mit gro­ßen und kos­ten­güns­tig för­der­ba­ren Vor­kom­men die­ses Roh­stoffs. Der Frack­ing-Boom in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten hat dar­an bis­her nichts Wesent­li­ches ändern kön­nen. Er stellt das letz­te Auf­bäu­men der US-Ölin­dus­trie dar, bevor sie auf­grund ihrer gerin­gen ver­blie­be­nen Ölre­ser­ven spä­tes­tens Ende des nächs­ten Jahr­zehnts größ­ten­teils von Impor­ten die­ses fos­si­len Ener­gie­trä­gers abhän­gig sein wer­den. Folgt man jedoch der über­wäl­ti­gen­den Mehr­heit der Bericht­erstat­tung der letz­ten knapp sechs Jah­re auf SPIEGEL ONLINE, zeich­net sich ein gänz­lich ande­res Bild.

Die Fakten

Es bedarf nur weni­ger ein­fa­cher Zah­len, um die Abhän­gig­keit der USA von Ölim­por­ten sowie den kurz­fris­ti­gen Effekt des Frack­ing-Booms bele­gen zu kön­nen: die Ölpro­duk­ti­on in den USA, die Ölim­por­te sowie die nach­ge­wie­se­nen und wirt­schaft­lich för­der­ba­ren Ölre­ser­ven des Lan­des. Die US-Regie­rungs­be­hör­de U.S. Ener­gy Infor­ma­ti­on Admi­nis­tra­ti­on (EIA) ver­öf­fent­licht die­se Daten regel­mä­ßig und für jeden zugäng­lich auf ihrer Web­site. Für das Jahr 2016 lau­ten sie:

Zum Ver­gleich: Der gesam­te Ölver­brauch Deutsch­lands im Jahr 2017 lag bei 0,89 Mil­li­ar­den Barrel.

Die Zah­len spre­chen für sich. Man benö­tigt kei­ne Exper­ten­mei­nung, um zu erken­nen, wie abhän­gig die USA von Erd­öl­im­por­ten sind. Man braucht noch nicht ein­mal einen Taschen­rech­ner, um die kur­ze ver­blei­ben­de Zeit zu über­schla­gen, in der die Erd­öl­re­ser­ven in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten nach heu­ti­gem Kennt­nis­stand auf­ge­braucht sein wer­den. Aus die­sem Wis­sen las­sen sich ins­be­son­de­re aktu­el­le und zukünf­ti­ge geo­po­li­ti­sche Inter­es­sen der größ­ten Mili­tär­macht der Erde ableiten.

Es ist unstrit­tig, dass die För­de­rung von Schie­fer­öl mit­hil­fe der Frack­ing-Metho­de in den USA zu einem Ungleich­ge­wicht und einem Preis­kampf auf dem inter­na­tio­na­len Ölmarkt geführt hat. In Län­dern wie Vene­zue­la, das ähn­lich wie Kana­da auf­grund sei­ner kos­ten­in­ten­si­ven För­de­rung von Öl aus Ölsand auf hohe Prei­se ange­wie­sen ist, hat der nied­ri­ge Ölpreis sogar eine Staats­kri­se aus­ge­löst. Selbst in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten hat­te der gerin­ge inter­na­tio­na­le Preis für Erd­öl ein Abeb­ben des Frack­ing-Booms zur Fol­ge. Zudem hat der Ein­satz der Frack­ing-Metho­de zu einer Neu­be­wer­tung der nach­ge­wie­se­nen ver­blie­be­nen Ölre­ser­ven in den USA geführt. Die wirt­schaft­lich för­der­ba­ren Reser­ven sind zwi­schen 2008 und 2014 sprung­haft auf fast das Dop­pel­te ange­stie­gen (1).

Doch dar­aus auf eine lang­fris­ti­ge Unab­hän­gig­keit der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ölim­por­ten zu schlie­ßen, ist eine The­se, die sich anhand der Fak­ten nicht bele­gen lässt. Es lässt sich noch nicht ein­mal ein­deu­tig nach­wei­sen, dass die För­de­rung von Schie­fer­öl zum aktu­el­len Ölpreis über­haupt wirt­schaft­lich ist. Es gibt Hin­wei­se dar­auf, dass es sich beim Frack­ing-Boom in den USA bis­her nur um eine Wet­te von Inves­to­ren han­delt, die auf gerin­ge­re För­der­kos­ten, Neu­fun­de von Schie­fer­öl und einen dau­er­haft hohen Ölpreis jen­seits von 100 Dol­lar pro Bar­rel hof­fen (2).

Anspruch an eine seriöse Berichterstattungen

Der SPIEGEL ist eines der wich­tigs­ten Leit­me­di­en Deutsch­lands. Sein Able­ger SPIEGEL ONLINE hat eine Reich­wei­te von über 20 Mil­lio­nen Kon­su­men­ten pro Monat. „SPIE­GEL-Leser wis­sen mehr“, lau­te­te ein Slo­gan, mit dem das Wochen­ma­ga­zin bis in die 1990er Jah­re für sich gewor­ben und damit auf die hohe Qua­li­tät sei­ner Bericht­erstat­tung hin­ge­wie­sen hat. Man soll­te also erwar­ten, die wei­ter oben genann­ten Daten der US-Regie­rungs­be­hör­de EIA in den auf SPIEGEL ONLINE ver­öf­fent­lich­ten Arti­keln mit Bezug zu den The­men Ver­brauch, Pro­duk­ti­on, Import oder Reser­ven von Erd­öl in den USA wie­der­zu­fin­den. Zudem soll­ten Bei­trä­ge zu fin­den sein, wel­che mit­hil­fe die­ser Daten den kurz­fris­ti­gen Effekt des Frack­ing-Booms beschreiben.

Untersuchung der Beiträge auf SPIEGEL ONLINE

Das Archiv von SPIEGEL ONLINE wur­de im Voll­text­mo­dus mit den Such­be­grif­fen „Ölver­brauch USA“, „Ölför­de­rung USA“, „Ölim­port USA“, „Ölre­ser­ve USA“ und „Frack­ing Öl USA“ sowie anhand der The­men­blö­cke „The­ma Erd­öl“, „The­ma Erd­öl­för­de­rung“ und „The­ma Frack­ing“ nach kos­ten­frei zugäng­li­chen Arti­keln von SPIEGEL ONLINE, DER SPIEGEL und dem ange­schlos­se­nen mana­ger maga­zin im Zeit­raum zwi­schen dem 01. Janu­ar 2013 und dem 31. Okto­ber 2018 durch­sucht. Die aus die­ser Suche resul­tie­ren­den 700 Arti­kel wur­den nach einer inhalt­li­chen Rele­vanz zu den The­men Ver­brauch, För­de­rung, För­der­kos­ten, Import und Reser­ven von Erd­öl sowie zur Wirt­schaft­lich­keit der Frack­ing-Metho­de in den USA bewer­tet. Extra­hiert wurden

  • Meta­da­ten: Datum, Autor und Quel­len wie zum Bei­spiel Nachrichtenagenturen,
  • Vor­han­den­sein eines Bezu­ges sowie von ein­deu­ti­gen Daten zu den The­men Ver­brauch, För­de­rung, För­der­kos­ten, Import, und Reser­ven von Erd­öl sowie zur Wirt­schaft­lich­keit der Frack­ing-Metho­de in den USA,
  • Vor­han­den­sein der spe­ku­la­ti­ven Aus­sa­ge, dass die USA auf­grund des Frackings bald von Ölim­por­ten unab­hän­gig sein werden,
  • Vor­han­den­sein der Aus­sa­ge, dass die USA auf­grund des Frackings zu den größ­ten Erd­öl­pro­du­zen­ten gehö­ren oder bald zum größ­ten Erd­öl­pro­du­zen­ten der Welt aufsteigen,
  • Ver­wen­dung des Begriffs „Ölre­ser­ve“ für die Roh­öl­la­ger­be­stän­de, die stra­te­gi­sche Ölre­ser­ve der USA sowie für die nach­ge­wie­se­nen ver­blie­be­nen Ölre­ser­ven im Boden und
  • die inhalt­li­che Infor­ma­ti­on selbst.

Mit ein­deu­ti­gen Daten ist in die­sem Kon­text gemeint, ob zum Bei­spiel in einem Arti­kel, in dem der Ölim­port der USA erwähnt wird, auch tat­säch­lich bezif­fert wird, wie hoch die Men­ge zu dem jewei­li­gen Zeit­punkt ist. Die Aus­wer­tung soll­te empi­ri­sche und inhalt­li­che Daten lie­fern, wie gut oder schlecht Kon­su­men­ten von SPIEGEL ONLINE über die benann­ten The­men infor­miert werden.

Auswertung der Beiträge

Ver­gleicht man die Anzahl der Bericht­erstat­tun­gen zu den ein­zel­nen The­men und stellt man bei der Aus­wer­tung der Daten­sät­ze das Vor­han­den­sein eines Bezu­ges sowie die jeweils ange­ge­be­nen ein­deu­ti­gen Daten zu einem The­ma gegen­über, fal­len sofort zwei Punk­te auf. Ers­tens, die rela­tiv nied­ri­ge Anzahl von Arti­keln, in denen der Ölver­brauch, der Ölim­port sowie die Ölre­ser­ven der USA behan­delt wer­den. Zwei­tens, wie gering die Benen­nung von ein­deu­ti­gen Daten in den Arti­keln ist.

Quel­le: Eige­ne Darstellung

Spekulationen und fehlende Daten zum Ölimport

Theo­re­tisch könn­te sich ein SPIEGEL ONLINE-Kon­su­ment den Ölim­port erschlie­ßen, wenn er den aktu­el­len Ver­brauch und die För­de­rung von Erd­öl in den USA gegen­über­ge­stellt sieht. Doch in den weni­gen Arti­keln, in denen der Ölver­brauch expli­zit benannt wird, fehlt die Infor­ma­ti­on über die Men­ge der Ölför­de­rung, was auch für den umge­kehr­ten Fall gilt. Wie viel Öl die Ver­ei­nig­ten Staa­ten in den letz­ten knapp sechs Jah­ren also tat­säch­lich pro Tag oder pro Jahr impor­tiert haben, ist auf SPIEGEL ONLINE sowie in den dort ver­öf­fent­lich­ten Arti­keln von DER SPIEGEL und dem mana­ger maga­zin ein gut gehü­te­tes Geheim­nis. Statt ein­deu­ti­ge Zah­len zum Import zu nen­nen, wird hin­ge­gen in zehn der Arti­kel spe­ku­liert, die USA könn­ten schon bald oder bis zum Ende des Jahr­zehnts auf­grund des Frack­ing-Booms in ihrem Land gänz­lich von Ölim­por­ten unab­hän­gig sein.

Quel­le: Eige­ne Darstellung

Daten versus Hinweise, die USA gehörten zu den wichtigsten Erdölproduzenten der Welt

Ein Miss­ver­hält­nis zwi­schen ech­ten Daten und dem sich wie­der­ho­len­den Hin­weis, die USA gehör­ten zu den ers­ten drei wich­tigs­ten Pro­du­zen­ten oder wür­den auf­grund des Frack­ing-Booms sogar bald zum größ­ten Erd­öl­pro­du­zen­ten der Welt auf­stei­gen, exis­tiert auch bei den Anga­ben zur Ölför­de­rung. Tat­säch­lich sind die USA seit Beginn der Ölför­de­rung in ihrem Land Ende des 19. Jahr­hun­derts durch­ge­hend der größ­te Erd­öl­pro­du­zent oder gehö­ren zu den drei wich­tigs­ten Produzenten.

Quel­le: Eige­ne Darstellung

Mangelnde Daten zu nachgewiesenen Ölreserven in den USA und Verwirrung bei der Verwendung des Begriffs „Ölreserve“

Auch hin­sicht­lich der Ölre­ser­ven ist die Fak­ten­la­ge in den auf SPIEGEL ONLINE ver­öf­fent­lich­ten Arti­keln äußerst gering. In nur zwei von ins­ge­samt 700 unter­such­ten Arti­keln fin­den sich expli­zi­te Zah­len zu den nach­ge­wie­se­nen ver­blie­be­nen Ölre­ser­ven in den USA. Der Bei­trag http://www.spiegel.de/wirtschaft/bahrain-wie-viel-nutzt-das-riesige-oelfeld-dem-koenigreich-a-1201892.html mit dem Titel „Rie­si­ges Ölfeld: Bah­rains sagen­haf­ter Schatz“ bezif­fert die Ölre­ser­ven der USA mit 48 Mrd. Bar­rel, ohne die Quel­le die­ser Zahl zu benen­nen. Wahr­schein­lich stammt die Zif­fer aus dem Ener­gie­be­richt der Bun­des­an­stalt für Geo­wis­sen­schaf­ten und Roh­stof­fe von 2017, in dem die Ölre­ser­ven der USA für 2016 auf Sei­te 121 mit 6.519 Mil­lio­nen Ton­nen ange­ge­ben wer­den (3). Die­se Men­ge ent­spricht 47,58 Mil­li­ar­den Barrel.

In dem Arti­kel http://www.spiegel.de/wirtschaft/oelpreis-endlich-verstaendlich-die-wichtigsten-fakten-zum-erdoel-a-1140628.html#sponfakt=5 mit dem Titel „Die wich­tigs­ten Fak­ten: Wie der Ölpreis die Welt bewegt“ befin­den sich zwei inter­ak­ti­ve Kar­ten der Welt mit Infor­ma­tio­nen zur Ölpro­duk­ti­on und zu den Ölre­ser­ven. Fährt man mit dem Maus­zei­ger über die ein­zel­nen Län­der, erhält man unter ande­rem Infor­ma­tio­nen zu den Reser­ven eines Lan­des. Für die USA wer­den Reser­ven von 55 Mil­li­ar­den Bar­rel Erd­öl ange­ge­ben. Als Quel­le die­ser Zahl wer­den die Inter­na­tio­nal Ener­gy Agen­cy sowie der BP Sta­tis­ti­cal Review of World Ener­gy 2016 benannt. Bei der ers­ten Anga­be han­delt es sich um kei­ne genaue Quel­len­an­ga­be, und die zwei­te Quel­le ist nicht mehr im Inter­net ver­füg­bar. Der BP Sta­tis­ti­cal Review of World Ener­gy 2018 gibt jedoch auf Sei­te 12 die Ölre­ser­ven für 2016 mit 50 Mil­li­ar­den Bar­rel an (4).

Die gro­ße Abwei­chung der Zah­len aus den bei­den Berich­ten von BP und der Bun­des­an­stalt für Geo­wis­sen­schaf­ten und Roh­stof­fe von der Zahl der U.S. Ener­gy Infor­ma­ti­on Admi­nis­tra­ti­on, wel­che die Reser­ven für 2016 mit 32,77 Mil­li­ar­den Bar­rel angibt, liegt dar­in begrün­det, dass die US-ame­ri­ka­ni­sche Regie­rungs­be­hör­de Gas­kon­den­sat und Flüs­sig­ga­se wie Butan oder Pro­pan nicht zur Erd­öl­re­ser­ve zählt. Ein ent­spre­chen­der Hin­weis auf die Ein­be­zie­hung die­ser Neben­pro­duk­te der Ölför­de­rung fehlt in bei­den Arti­keln auf SPIEGEL ONLINE.

Ver­wir­rend im Kon­text der Bericht­erstat­tung über die Ölre­ser­ven in den USA ist die syn­ony­me Ver­wen­dung des Begriffs „Ölre­ser­ve“ für die im Boden nach­ge­wie­se­nen Vor­kom­men, die Roh­öl­la­ger­be­stän­de sowie für die stra­te­gi­sche Ölre­ser­ve der USA, wel­che die­se nach der Ener­gie­kri­se in den 1970er Jah­ren ange­legt haben, um kurz­fris­ti­gen För­der­be­schrän­kun­gen der Opec ent­ge­gen­zu­wir­ken. In kei­nem Bei­trag wird die unter­schied­li­che Ver­wen­dung des Begriffs näher erläu­tert, so dass sich nur ein fach­kun­di­ger Medi­en­kon­su­ment die jewei­li­ge Bedeu­tung im Kon­text erschlie­ßen kann. Zudem fin­det in kei­nem Arti­kel eine genaue Unter­schei­dung zwi­schen Ölre­ser­ven und Ölres­sour­cen statt. Mit Ölre­ser­ven wer­den nach­ge­wie­se­ne und wirt­schaft­lich för­der­ba­re Vor­kom­men bezeich­net. Bei Ölres­sour­cen han­delt es sich ent­we­der um sta­tis­tisch mög­li­che, aber nicht nach­ge­wie­se­ne wirt­schaft­lich för­der­ba­re Vor­kom­men, oder um nach­ge­wie­se­ne, jedoch wirt­schaft­lich nicht erschließ­ba­re Vor­kom­men wie Ölschiefer.

Quel­le: Eige­ne Darstellung

Widersprüchliche Angaben zur Wirtschaftlichkeit von Fracking in den USA

In Rela­ti­on zu der gerin­gen Anzahl an Arti­keln über Ölver­brauch, Ölim­port und Ölre­ser­ven in den USA ist das Vor­han­den­sein von Infor­ma­tio­nen über die Ölför­de­rung und ins­be­son­de­re über das Frack­ing in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten sehr hoch. Hin­sicht­lich der För­der­kos­ten ist nicht nur die Anzahl der Arti­kel mit Bezug zu den För­der­kos­ten sowie mit Bezug zur Wirt­schaft­lich­keit des Frackings gleich, auch die Arti­kel selbst sind iden­tisch. In allen 54 Bei­trä­gen mit Bezug zu den För­der­kos­ten wird ledig­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Frack­ing im Ver­gleich zur För­de­rung von kon­ven­tio­nel­lem Öl rela­tiv teu­er ist oder dass sich die Erschlie­ßung von Schie­feröl­vor­kom­men mit der Frack­ing-Metho­de in den USA erst ab einem gewis­sen Ölpreis loh­nen soll. Nicht ein ein­zi­ger Bei­trag auf SPIEGEL ONLINE nennt die durch­schnitt­li­chen Kos­ten für die Ölpro­duk­ti­on – aus kon­ven­tio­nel­len Vor­kom­men und mit­hil­fe der Frack­ing-Metho­de – in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten oder ver­gleicht die­se Kos­ten mit denen in ande­ren wich­ti­gen Ölna­tio­nen wie Sau­di-Ara­bi­en, Russ­land, Iran oder Irak.

Quel­le: Eige­ne Darstellung

Ver­gleich­ba­re US-ame­ri­ka­ni­sche Nach­rich­ten­por­ta­le wie CNN Money ver­öf­fent­li­chen die­se Zah­len zum Bei­spiel unter https://money.cnn.com/interactive/economy/the-cost-to-produce-a-barrel-of-oil/index.html. Ein Medi­en­kon­su­ment kann dar­aus sehr ein­fach able­sen, dass die durch­schnitt­li­chen Pro­duk­ti­ons­kos­ten für ein Bar­rel Öl in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten drei- bis vier­mal so hoch lie­gen wie in den Ölna­tio­nen am Per­si­schen Golf und dop­pelt so hoch wie in Russland.

Doch selbst die inhalt­li­chen Infor­ma­tio­nen in den 15 Arti­keln auf SPIEGEL ONLINE mit ein­deu­ti­gen Daten zur Wirt­schaft­lich­keit der Frack­ing-Metho­de sind äußerst wider­sprüch­lich. Hier die extrems­ten Beispiele:

Frack­ing lohnt sich in den USA also bereits ab einem Ölpreis von 30 Dol­lar oder erst ab 80 Dol­lar pro Bar­rel – oder irgend­wo dazwi­schen. Tat­säch­lich müss­te man an die­ser Stel­le ins Detail gehen, sich die ein­zel­nen Schie­feröl­vor­kom­men in den USA genau­er anse­hen und die Schwel­le des Ölprei­ses für eine wirt­schaft­lich loh­nen­de För­de­rung für jedes Vor­kom­men indi­vi­du­ell bestim­men. Doch selbst wenn man an die­se Daten käme, wäre man kaum schlau­er, da das Frack­ing in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten ein Spe­ku­la­ti­ons­ob­jekt für Inves­to­ren ist, die auf einen dau­er­haft hohen Ölpreis, Neu­fun­de von Öl sowie auf ver­bes­ser­te und damit bil­li­ge­re För­der­tech­no­lo­gien wet­ten. Somit muss man davon aus­ge­hen, dass vie­le Frack­ing-Unter­neh­men auch dann för­dern und neue Vor­kom­men erschlie­ßen, wenn es sich wirt­schaft­lich zu dem Zeit­punkt gar nicht lohnt. Die Benen­nung unter­schied­li­cher pau­scha­ler Ölpreis-Schwel­len für die gesam­te USA bringt dem Medi­en­kon­su­men­ten kei­nen Mehr­wert und erzeugt Verwirrung.

Sinn­vol­ler wäre es statt­des­sen, auf die Gefah­ren eines jähen Endes des Frack­ing-Booms in den USA hin­zu­wei­sen. Denn zum einen ist auch die mit­tel- bis lang­fris­ti­ge Wirt­schaft­lich­keit des Frackings äußerst frag­lich, solan­ge anders­wo auf der Welt Öl in gro­ßen Men­gen zu deut­lich güns­ti­ge­ren Kos­ten pro­du­ziert wer­den kann. Zum ande­ren sind die ver­blie­be­nen nach­ge­wie­se­nen Reser­ven an Schie­fer­öl extrem gering. Tat­säch­lich fin­den sich in neun der Arti­kel ein­deu­ti­ge Hin­wei­se, dass es sich beim Frack­ing-Boom auch um eine Bla­se han­deln könn­te, die jeder­zeit plat­zen kann. Doch anstatt in die­sen Bei­trä­gen die ein­deu­ti­gen Daten zur Ölför­de­rung und zu den Ölre­ser­ven in den USA zu benen­nen, wel­che die The­se auf leicht nach­voll­zieh­ba­re Wei­se unter­mau­ern könn­ten, blei­ben die Arti­kel in ihren For­mu­lie­run­gen schwam­mig, geben nur Mei­nun­gen von Exper­ten wie­der oder rela­ti­vie­ren ihren Hin­weis durch den Kom­men­tar eines Exper­ten umge­hend. Hier zwei Beispiele:

Fazit

Rein sta­tis­tisch betrach­tet wis­sen SPIEGEL ONLINE-Leser, die sich in den letz­ten sechs Jah­ren über die­ses Medi­um infor­miert haben, dass die USA auf­grund des Frack­ing-Booms in ihrem Land bald zum größ­ten Erd­öl­pro­du­zen­ten der Erde auf­stei­gen und von Ölim­por­ten unab­hän­gig sein wer­den. Sie wis­sen auch, dass Frack­ing rela­tiv teu­er im Ver­gleich zur För­de­rung von her­kömm­li­chen Öl ist und der Frack­ing-Boom in den USA zu einem Preis­kampf auf dem inter­na­tio­na­len Ölmarkt geführt hat. Was sie defi­ni­tiv nicht wis­sen, sind tat­säch­li­che Daten, wie viel Öl die USA impor­tie­ren, oder dass sie 2016 noch immer der größ­te Erd­öl­im­por­teur der Welt waren. Auch genaue Zah­len, wie hoch die durch­schnitt­li­chen För­der­kos­ten in den USA im Ver­gleich zu ande­ren wich­ti­gen Ölna­tio­nen sind, sind SPIEGEL ONLINE-Kon­su­men­ten unbekannt.

Auf­merk­sa­me Leser von Arti­keln des mana­ger maga­zins, in dem sie­ben der neun kri­ti­schen Bei­trä­ge zur Wirt­schaft­lich­keit des Ölfrack­ing-Booms in den USA ver­öf­fent­licht wur­den, haben zwar eine Ahnung, dass die­ser bereits in den nächs­ten Jah­ren wie­der jäh enden könn­te. Doch dank der syn­ony­men Ver­wen­dung des Begriffs „Ölre­ser­ve“ für unter­schied­li­che Bedeu­tun­gen sowie der äußerst gerin­gen Nen­nung der nach­ge­wie­se­nen Ölre­ser­ven und der tat­säch­li­chen För­de­rung kön­nen sich SPIEGEL ONLINE-Leser ohne Zuhil­fe­nah­me wei­te­rer Quel­len die dahin­ter lie­gen­den Fak­ten kaum erschließen.

Die empi­ri­sche und inhalt­li­che Aus­wer­tung liest sich wie eine Anlei­tung, wie man sei­ne Kon­su­men­ten von den Fak­ten ablenkt. Die­se wei­sen ein­deu­tig dar­auf hin, wie abhän­gig die USA noch immer von Erd­öl­im­por­ten sind und wie sehr sie spä­tes­tens in einem Jahr­zehnt von Impor­ten abhän­gig sein wer­den. Nur mit die­sem Wis­sen kann man die geo­po­li­ti­schen Inter­es­sen der Ver­ei­nig­ten Staa­ten an den Ölna­tio­nen am Per­si­schen Golf und Vene­zue­la rich­tig ein­ord­nen. Die Bericht­erstat­tung auf SPIEGEL ONLINE unter­lässt es aktiv, auf die­se Zusam­men­hän­ge hin­zu­wei­sen. SPIE­GEL-Leser wis­sen nicht mehr, son­dern wer­den von grund­le­gen­dem Wis­sen zum Ver­ständ­nis der geo­po­li­ti­schen Inter­es­sen der USA mit Spe­ku­la­tio­nen über deren angeb­li­che zukünf­ti­ge Unab­hän­gig­keit von Ölim­por­ten abgelenkt.

Quellenverzeichnis:

1) Bewer­tung der US-Ölre­ser­ven durch die Regie­rungs­be­hör­de U.S. Ener­gy Infor­ma­ti­on Admi­nis­tra­ti­on: https://www.eia.gov/dnav/pet/hist/LeafHandler.ashx?n=PET&s=RCRR01NUS_1&f=A

2) Ana­ly­se der Wirt­schaft­lich­keit der Schie­fer­öl- und Schie­fer­gas­för­de­rung in den USA des Insti­tu­te for Ener­gy Eco­no­mics and Finan­cial Ana­ly­sis: http://ieefa.org/ieefa-u-s-more-red-flags-on-fracking-focused-companies/

3) Ener­gie­be­richt der Bun­des­an­stalt für Geo­wis­sen­schaf­ten und Roh­stof­fe 2017: https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Produkte/energiestudie2017_Zusammenfassung.html

4) BP Sta­tis­ti­cal Review of World Ener­gy 2018: https://www.bp.com/content/dam/bp/en/corporate/pdf/energy-economics/statistical-review/bp-stats-review-2018-full-report.pdf