Warum echte Demokratie einen von den Mediennutzern finanzierten Journalismus abseits großer Medienhäuser benötigt
„Propaganda ist für eine Demokratie das, was der Knüppel für einen totalitären Staat ist.“ Dieser Satz stammt von dem US-amerikanischen Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. Dass es in einer Demokratie wie in den USA oder in Deutschland überhaupt politische Propaganda gibt, ist für viele Menschen, die hauptsächlich den einflussreichen Massenmedien folgen, undenkbar. In autoritären Staaten wie Nazi-Deutschland, der Sowjetunion, der DDR oder China, ja. Aber in der Bundesrepublik? An der augenscheinlichen Unmöglichkeit dieses Gedankens kann man im Grunde erkennen, wie gut die Manipulation der öffentlichen Meinung funktioniert. Propaganda ist dann am erfolgreichsten, wenn die Manipulierten die Beeinflussung gar nicht bemerken.
Bereits 1922 hat der amerikanische Journalist und Publizist Walter Lippmann in seinem Werk „Die öffentliche Meinung“ dargelegt, dass Massenkommunikationsmittel ihrem Wesen nach als Übertragungsmittel von Information und Wertung grundsätzlich von Manipulierbarkeit geprägt sind. Aufbauend auf den Thesen Lippmanns beschreibt Edward Bernays, der Begründer der Theorie der Public Relations, in seinem 1928 erschienenem Werk „Propaganda“, wie und mit welchen Erkenntnissen aus der Psychologie und den Sozialwissenschaften die öffentliche Meinung gezielt gesteuert werden kann.
Beiden Autoren ist gemein, dass sie eine prinzipiell geringe Auffassung von dem eigentlichen Souverän in einer Demokratie, dem Volk, haben. Lippmann begründet den Bruch zwischen der Wirklichkeit und der öffentlichen Meinung mit der geringen intellektuellen Anteilnahme und Bereitschaft von Mitgliedern der Gesellschaft, die Wirklichkeit als solche zu schätzen. Bernays sieht die Stimme des Volkes als Ausdruck des Volksempfindens, das wiederum von der Manipulation der öffentlichen Meinung gesteuert wird. „Ein seriöser und talentierter Politiker“ sei jedoch in der Lage, mithilfe der Propaganda den Volkswillen zu formen und zu kanalisieren.
Die negative Sichtweise Lippmanns und Bernays auf die Bevölkerung ist geprägt von dem französischen Anthropologen Gustave Le Bon, der in seinem 1895 veröffentlichten Werk „Psychologie der Massen“ jeder Menschenmasse das rationale Denken und die Fähigkeit zu vernünftigen Entscheidungen abspricht. Daher müssten die Massen mit dem Ansprechen von Emotionen und Instinkten gesteuert werden. Als Mitglieder der Creel-Kommission, einer von US-Präsident Woodrow Wilson 1917 eingerichteten Behörde, welche nach Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg die öffentliche Meinung an der Heimatfront beeinflussen sollte, waren Lippmann und Bernays mitverantwortlich für die Produktion teilweise äußerst plumper Propaganda, die sich damals gegen den Kriegsgegner Deutschland richtete.
Die 2017 beim TV-Sender Arte veröffentlichte Dokumentation „Edward Bernays und die Wissenschaft der Meinungsmache“ zeigt eine Auswahl dieser symbolbeladenen Publikationen, in denen deutsche Soldaten als Vergewaltiger und Babymörder dargestellt werden. Dass diese Art der Kriegspropaganda auch heute noch zum Repertoire der Eliten gehört, um die Bevölkerung von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen, beweist beispielsweise die so genannte Brutkastenlüge aus dem Jahr 1990. Die Aussagen einer Hilfskrankenschwester aus Kuwait, dass irakische Soldaten in ein Krankenhaus des besetzten Emirats eingedrungen seien, frühgeborene Babys aus ihren Brutkästen gerissen und auf dem Boden hätten sterben lassen, ging damals um die ganze Welt. Später stellte sich heraus, dass diese Nachricht von einer US-amerikanischen PR-Agentur inszeniert worden und die angebliche Krankenschwester in Wirklichkeit die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA sowie Mitglied der kuwaitischen Herrscherfamilie war.
Was erwarten die Mediennutzer von Journalisten?
Die Dummheit der Bevölkerung und die Tatsache, dass diese sowieso über die Medien manipuliert wird, reichten sowohl Lippmann als auch Bernays als ethisch vertretbare Legitimation dafür, dass die Eliten eines Landes mithilfe der gezielten Beeinflussung der öffentlichen Meinung Politik betreiben dürfen, beispielsweise über Medienkampagnen, das Setzen einer Agenda und die Einbettung von Ereignissen und Themen in Deutungsraster und Erzählmuster – aber auch mittels plumper Propaganda. Die Herstellung einer einheitlichen Meinung über die Massenmedien sei sogar nützlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und notwendig, da nur die politische Elite in der Lage sei, die Komplexität der Wirklichkeit in höherem und angemessenem Grade zu verstehen.
Die Klaviatur der Techniken der Propaganda und Meinungsmanipulation ist äußerst variantenreich und seit ihrer ersten wissenschaftlichen Untersuchung im frühen 20. Jahrhundert stets erweitert worden. In ihrem 2004 veröffentlichten Buch „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“ stellt die belgische Historikerin Anne Morelli die „10 Gebote“ der Kriegspropaganda dar, Propagandatechniken, die von Politikern und Medien zur einseitigen Bewerbung ihrer Position in einem Krieg genutzt werden:
- Wir wollen keinen Krieg!
- Der Gegner ist allein für den Krieg verantwortlich!
- Der Führer des feindlichen Lagers wird dämonisiert.
- Wir verteidigen ein edles Ziel und keine besonderen Interessen!
- Der Feind begeht wissentlich Grausamkeiten, wenn wir Fehler machen, geschieht dies unbeabsichtigt.
- Der Feind benutzt unerlaubte Waffen.
- Wir erleiden geringe Verluste, die Verluste des Feindes sind erheblich.
- Anerkannte Kulturträger und Wissenschaftler unterstützen unser Anliegen.
- Unser Anliegen hat etwas Heiliges.
- Wer unsere Propaganda in Zweifel zieht, arbeitet für den Feind und ist damit ein Verräter.
In dem 2003 veröffentlichten Buch „Propaganda Techniques“ des Autors Henry T. Conserva werden weitere 89 verschiedene Propagandatechniken dargestellt, mit denen ein Konsens in der öffentlichen Meinung erzeugt werden kann. Es fällt selbst Laien nicht schwer, anhand der Liste der Techniken von Morelli und Conserva festzustellen, dass sie im alltäglichen politischen Journalismus von den Autoren wie selbstverständlich verwendet werden. Es bedarf lediglich einer oberflächlichen Beschäftigung mit den geopolitischen Interessen der USA und anderer westlichen Staaten, um zu erkennen, dass die Redaktionen westlicher Massenmedien alles unternehmen, um genau diese Interessen unkenntlich zu machen.
Dem gegenüber stehen sowohl das Selbstverständnis der Journalisten als auch die Erwartungen, die Mediennutzer an die schreibende Zunft stellen. In einer 2020 vom Hans-Bredow-Institut veröffentlichten Studie wurden nach einer repräsentativen Umfrage unter Mediennutzern und Journalisten von beiden Seiten insbesondere die objektive Berichterstattung, die informations- und erklärungsbezogene Funktion der Einordnung und Analyse aktueller Geschehnisse sowie der Aspekt der „Watchdog-Rolle“, womit das Aufdecken von Missständen gemeint ist, als sehr wichtig und extrem wichtig eingeschätzt. Wie kann es sein, dass der Selbstanspruch sowie die Erwartungen der Mediennutzer auf der einen und die Realität auf der anderen Seite so weit auseinanderklaffen?
Das Propagandamodell von Chomsky und Herman
In dem 1988 veröffentlichten Werk „Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media“ bezeichnete Noam Chomsky die von Lippmann propagierte Beeinflussung der Massen als „Zuschauerdemokratie“, welche die tatsächlichen Machtverhältnisse verschleiert. Zusammen mit seinem Co-Autor Edward S. Herman entwickelte Chomsky das Propagandamodell, anhand dessen gezeigt wird, wie die Struktur der Massenmedien in kapitalistischen Gesellschaften eine objektive Berichterstattung von vornherein verhindert und wie große Medienkonzerne ohne zentrale Steuerung einen Konsens im Interesse einer gesellschaftlichen Oberschicht herstellen, während gleichzeitig der Anschein eines demokratischen Prozesses der Meinungsbildung und der Konsensfindung gewahrt bleibe. Verantwortlich dafür sind laut Chomsky und Herman fünf Filter, die unerwünschte Nachrichten von der Bevölkerung fernhalten. Die nachfolgende Darstellung der Filter wurde mit Erläuterungen sowie Beispielen aus Deutschland ergänzt.
1. Filter: Die Eigentumsverhältnisse der Medien
Um abseits des Internets ein Massenmedium zu betreiben, bedarf es eines erheblichen finanziellen Aufwands. Printmedien benötigen Verlage, Druckerpressen und ein Vertriebssystem, Radio- und Fernsehsender entsprechendes technisches Equipment und Sendeanlagen. Die hohe Einstiegshürde stellt sicher, dass nur eine finanziell privilegierte Schicht in den Besitz von klassischen Massenmedien gelangen kann. Hinzu kommt, dass viele ehemalige kleinere Medienangebote mittlerweile ganz oder in Teilen zu einem Konglomerat gehören. Hinter der scheinbaren Medienvielfalt stecken in Wirklichkeit nur wenige Großkonzerne, deren Eigentümer, auch in Deutschland, zu den wenigen Multimillionären und Milliardären gehören.
Derartige Konglomerate gehen, so Chomsky und Herman, zudem häufig über die traditionellen Medienbereiche hinaus und haben daher umfangreiche finanzielle Interessen, die durch die Veröffentlichung bestimmter Informationen gefährdet werden können. Der größte deutsche Medienkonzern, Bertelsmann, ist beispielsweise auch in der Dienstleistungsbranche und im Bildungsbereich aktiv. Demnach werden Nachrichten, die die finanziellen Interessen der Medienkonzerne am meisten gefährden, am stärksten verzerrt und zensiert, insbesondere jegliche Kapitalismuskritik. Daraus folgt, dass, wenn Gewinnmaximierung bedeutet, dass die Objektivität der Nachrichten geopfert wird, die Nachrichtenquellen, die letztendlich überleben, grundsätzlich parteiisch sein müssen, und zwar in Bezug auf Nachrichten, bei denen sie einen Interessenkonflikt haben.
Eine Sonderstellung nehmen in Deutschland die öffentlich-rechtlichen Medienangebote ein. Die Landesrundfunkanstalten der ARD, das ZDF und Deutschlandradio werden von Rundfunkräten kontrolliert. Diese werden jedoch von den Vertretern der stärksten Parteien der Landtage und des Bundestags dominiert. Sie sind es auch, welche die gesetzlichen Bestimmungen zur Zusammensetzung der Räte festlegen. Die Beitragszahler haben bei der Zusammensetzung der Räte keinerlei Mitsprache- oder Wahlrecht. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind daher im Grunde das Sprachrohr der stärksten Parteien in den Landtagen und im Bundestag.
2. Filter: Werbung
Konsumenten von Printmedien könnten der Illusion verfallen sein, dass ihr präferiertes Medium sich größtenteils aus dem Verkaufspreis finanziert. Tatsächlich liegt der Anteil des Verkaufs von Werbeflächen in Tages- und Wochenzeitungen bei deren Finanzierung in Deutschland bei bis zu 67 Prozent. Bei den kostenlosen Angeboten von privaten Fernsehsendern, Internetmagazinen und Social Media liegt dieser Anteil sogar bei annähernd 100 Prozent. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind bei ihrer Finanzierung auf Werbeeinnahmen angewiesen. So liegt deren Anteil bei der ARD nach eigenen Angaben bei sechs Prozent. In allen Medien herrscht daher ein harter Wettbewerb um Anzeigenkunden. Ein Medium, das weniger Werbung erhält als seine Konkurrenten, ist ernsthaft im Nachteil.
Aufgrund der vordergründigen Kostendeckung und Gewinnorientierung der Medienhäuser sind nicht die Inhalte der jeweiligen Ausgaben beziehungsweise des jeweiligen Programms – Nachrichten, Unterhaltungssendungen und Bildungsangebote – das eigentliche Produkt, sondern die Werbeflächen. Die eigentlichen Kunden sind nicht die Medienkonsumenten, sondern die Unternehmen, die für die Werbung ihrer Angebote bezahlen. Demzufolge sind auch Nachrichten nur Füllmaterial, um die zahlungskräftigen Konsumenten dazu zu bringen, die Anzeigen zu sehen, die den eigentlichen Inhalt ausmachen.
Inhalte, die der Kauflaune der Rezipienten zuwiderlaufen, so die These von Chomsky und Herman, werden tendenziell an den Rand gedrängt oder ausgeschlossen, ebenso wie Informationen, die ein Weltbild vermitteln, das mit den Interessen der Werbetreibenden kollidiert. Chomskys und Hermans Theorie besagt, dass letztendlich die Menschen, die ein Medium konsumieren, das Produkt sind, das an die Unternehmen verkauft wird, die wiederum Werbeflächen kaufen. Die Nachrichten selbst spielen als Produkt nur eine untergeordnete Rolle.
3. Filter: Nachrichtenquellen
Wenn man die Nachrichten in populären Tages- und Wochenzeitungen sowie Internetmagazinen wie spiegel.de, zeit.de, sueddeutsche.de oder taz.de verfolgt, dann finden sich zu Beginn oder am Ende der Beiträge häufig Kürzel wie „dpa“, „afp“, „ap“ oder „rtr“. Mit diesen Verweisen geben die Autoren an, welche Quelle sie für ihre Nachricht verwendet haben. Die Kürzel stehen für die größte deutsche Nachrichtenagentur, die Deutsche Presse-Agentur, sowie die drei größten internationalen Nachrichtenagenturen, die französische Agence France-Presse, die US-amerikanische Associated Press und die US-amerikanische/kanadische Nachrichtenagentur Thomson Reuters.
Nachrichten- und Presseagenturen sind Medienunternehmen, die den Massenmedien vorgelagert sind. Sie stellen regionale und internationale Nachrichten zusammen und verkaufen sie an ihre Abnehmer: regionale und überregionale Tageszeitungen, Wochenmagazine, Radiosender und Fernsehanstalten. Die Agenturen fungieren dabei als so genannte „Gatekeeper“ (zu Deutsch: Torwächter). Sie entscheiden letztendlich, welche Nachricht eine Verbreitung findet und welche nicht. Dabei spielt auch der Marktwert der Nachricht eine Rolle, denn Nachrichtenagenturen sind kostendeckend und gewinnorientiert arbeitende Unternehmen.
Eine weitere, häufig verwendete Nachrichtenquelle stellen die PR-Agenturen von Regierungen, Parteien, Behörden, Handelsorganisationen und Wirtschaftsunternehmen dar, die regelmäßig Pressekonferenzen abhalten und vorgefertigte Pressemitteilungen herausgeben. Redakteure und Journalisten, die diese Nachrichtenquellen beleidigen, etwa indem sie den Wahrheitsgehalt oder die Voreingenommenheit des bereitgestellten Materials in Frage stellen, können damit bedroht werden, dass ihnen der Zugang verwehrt wird. Daher zögern die Medien, Artikel zu veröffentlichen, die den Interessen derjenigen schaden, die sie mit den Ressourcen versorgen, von denen sie abhängig sind.
4. Filter: Negative Kritik
Medien sind sehr stark von positiver Resonanz abhängig, auch von der Resonanz in anderen Medien. Würden bestimmte Nachrichten, Haltungen oder Programme von offiziellen Stellen kritisiert oder in anderen Medien negativ besprochen, könne das für die kritisierten Medienunternehmen kostspielige Konsequenzen wie etwa Verleumdungsklagen nach sich ziehen und einen möglichen Reputationsverlust bedeuten. Neben den negativen Auswirkungen auf den Informationszulauf könnten negative Rückmeldungen zu Programmen und Beiträgen auch Probleme mit den Werbetreibenden erzeugen. Diese sähen sich gezwungen, negative Kritik durch einen gekränkten Kundenkreis zu verhindern. Sie setzen daher Medienunternehmen unter Druck, möglichst massentaugliche Programme zu produzieren. Im Gegensatz zu den ersten drei Filtermechanismen, die sich aus der Analyse von Marktmechanismen ableiten, zeichnet sich der vierte Filter durch konzertierte Anstrengungen zur Verwaltung öffentlicher Informationen aus.
5. Filter: Ideologischer Rahmen
Eine Berichterstattung ist niemals frei von der jeweils vorherrschenden Ideologie. Auch westliche Demokratien sind nicht frei davon. Sie manifestiert sich in den Grundrechten sowie in den propagierten Werten wie Freiheit, Recht auf Eigentum und der über allem stehenden Wirtschaftsordnung. Die Regeln des Kapitalismus werden in diesem Zusammenhang häufig mit allen Mitteln der Propaganda wie ein Naturgesetz dargestellt, das quasi das natürliche wirtschaftliche Zusammenleben von Menschen beschreibt – obwohl es sich bei dem Glaubensgrundsatz, dass man, wie in einem Spielkasino, allein mit dem Einsatz von Geld endlos mehr Geld gewinnen kann, eindeutig um eine Ideologie handelt.
Anti-Ideologien nutzen die öffentliche Angst und den Hass auf Gruppen aus, die eine potenzielle Bedrohung darstellen, sei sie real, übertrieben oder eingebildet. Eine solche Darstellung wird oft als Mittel eingesetzt, um Stimmen zum Schweigen zu bringen, die den Interessen der Elite kritisch gegenüberstehen. Früher stellte der Kommunismus nach diesem Modell die größte Bedrohung dar. Kommunismus und Sozialismus wurden von ihren Gegnern als Bedrohung der Rede‑, Bewegungs- und Pressefreiheit dargestellt. Nach dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 1990er Jahre ist der Antikommunismus als ideologischer Faktor in den westlichen Medien zurückgetreten und der „Krieg gegen den Terror“ zu einem nützlichen Ersatz für die sowjetische Bedrohung geworden. Seit dem Ausbruch der Bürgerkriege in Syrien und der Ukraine sind auch Russland und der russische Präsident Wladimir Putin wieder zur Projektionsfläche einer gegen den Westen und seine Werte gerichteten Gefahr mutiert.
Wenn man nach den Erkenntnissen über die einflussreichen Massenmedien, die das Propagandamodell von Chomsky und Herman offenbaren, noch bereit ist, den Nachrichten in den einflussreichen Massenmedien eine objektive Berichterstattung zuzuschreiben, kann man auch getrost an die Objektivität der direkt daneben, beziehungsweise im Werbeblock zuvor abgebildeten Produktinformationen in den Werbeanzeigen glauben. Es wird anhand des Propagandamodells zudem deutlich, dass sich kritischer Journalismus in den einflussreichen Massenmedien kaum durchsetzen kann. Die dort Beschäftigten müssen sich also entweder den Vorgaben ihrer Arbeitgeber und Fianziers anpassen oder sich neuen Nachrichtenkanälen und Verdienstmöglichkeiten zuwenden.
Das Internet als Game-Changer
Chomsky und Herman stellten fest, dass die Struktur der Nachrichtenbranche nicht immer so nachteilig hinsichtlich einer ausgewogenen Berichterstattung war. Im frühen 19. Jahrhundert, als in London die ersten Wochenzeitungen produziert wurden und deren Herstellungskosten noch vergleichsweise gering waren, konnte sich eine radikale Presse entwickeln, welche die Belange der arbeitenden Klasse ansprach. Erst mit der Einführung einer überhöhten Urkundensteuer, die den Besitz von Zeitungen auf die Wohlhabenden beschränken sollten, begann sich das Gesicht der Presse zu verändern.
Die Informationstechnologie und das Internet haben die Produktion und die Verbreitung von Nachrichten radikal revolutioniert. Mit geringem Aufwand kann heutzutage jeder einzelne von uns im Prinzip ein Milliardenpublikum ohne zeitliche Verzögerung erreichen. Zudem steht uns mit dem Internet die größte Wissensdatenbank der bisherigen Menschheitsgeschichte zur Verfügung. Regierungen, Behörden, Universitäten, Wirtschaftsverbände und Unternehmen stellen im Internet Studien und Rohdaten bereit, anhand derer sich neue Erkenntnisse gewinnen und sich viele, mit Mitteln der Propaganda erzeugte öffentliche Meinungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen lassen.
Wie anhand des Propagandamodells von Chomsky und Herman gezeigt, kann grundsätzlich nur ein von den Nutzern finanzierter und werbefreier Journalismus wirklich unabhängig sein.