Der Weg aus der Zuschauerdemokratie

War­um ech­te Demo­kra­tie einen von den Medi­en­nut­zern finan­zier­ten Jour­na­lis­mus abseits gro­ßer Medi­en­häu­ser benötigt

Ich gehe davon aus, dass Sie, die die­ses Doku­ment lesen, nicht zufäl­lig dar­auf gesto­ßen sind, son­dern bereits ver­traut sind mit mei­nen Bei­trä­gen in Inter­net­ma­ga­zi­nen wie Mul­ti­po­lar, Rubi­kon, Nach­Denk­Sei­ten oder Tele­po­lis. Viel­leicht ist Ihnen auf­ge­fal­len, dass ich in mei­nen Aus­wer­tun­gen einen wis­sen­schaft­li­chen Ansatz ver­fol­ge. Das bedeu­tet, ich for­mu­lie­re zunächst eine The­se und ver­su­che, die­se mit mög­lichst objek­ti­ven Daten aus offi­zi­el­len Quel­len zu bele­gen. Wenn sich die The­se nicht bestä­ti­gen lässt, muss sie falsch oder unvoll­stän­dig sein. Nicht sel­ten ist daher auch für mich das Ergeb­nis einer Aus­wer­tung überraschend.

Im Gegen­satz zur Arbeit vie­ler ande­rer Autoren, die bereits vor­han­de­ne oder von Pres­se- sowie PR-Agen­tu­ren über­nom­me­ne Nach­rich­ten auf­be­rei­ten und nicht sel­ten mit einem Spin ver­se­hen, der die Mei­nung des Autors, der Redak­ti­on oder des Eigen­tü­mers des Medi­ums wider­spie­gelt, erzeu­ge ich auf die­se Wei­se eigen­stän­di­ge Nach­rich­ten oder über­prü­fe den Wahr­heits­ge­halt weit ver­brei­te­ter Mei­nun­gen. Die­ser Ansatz ist sehr auf­wen­dig. Eine Daten­aus­wer­tung inklu­si­ve der Auf­ar­bei­tung der Ergeb­nis­se benö­tigt min­des­tens eine Woche, nicht sel­ten auch zwei Wochen und mehr. Dafür ist jede Aus­sa­ge, die ich tref­fe – mag die­se noch so über­ra­schend und kon­trär zu einer weit ver­brei­te­ten Mei­nung sein – wohl gewählt und mit belast­ba­rem Daten­ma­te­ri­al untermauert.

Die­se Arbeits­wei­se hat dazu geführt, dass die Inhal­te von zwei mei­ner Bei­trä­ge auch in inter­na­tio­na­len wis­sen­schaft­li­chen Fach­ma­ga­zi­nen Ein­zug gehal­ten haben:

Im Fol­gen­den lege ich dar, war­um die­se Form des Jour­na­lis­mus für eine mög­lichst objek­ti­ve Bericht­erstat­tung und einen Pro­zess zu mehr Demo­kra­tie und Mit­be­stim­mung uner­läss­lich ist und war­um dies struk­tu­rell nur mit der direk­ten Finan­zie­rung durch Sie, den Medi­en­kon­su­men­ten, mög­lich ist. Dazu begin­ne ich mit einer pro­vo­kan­ten These.

Pro­pa­gan­da in moder­nen Demokratien

Pro­pa­gan­da ist für eine Demo­kra­tie das, was der Knüp­pel für einen tota­li­tä­ren Staat ist.“ Die­ser Satz stammt von dem US-ame­ri­ka­ni­schen Sprach­wis­sen­schaft­ler Noam Chom­sky. Dass es in einer Demo­kra­tie wie in den USA oder in Deutsch­land über­haupt poli­ti­sche Pro­pa­gan­da gibt, ist für vie­le Men­schen, die haupt­säch­lich den ein­fluss­rei­chen Mas­sen­me­di­en fol­gen, undenk­bar. In auto­ri­tä­ren Staa­ten wie Nazi-Deutsch­land, der Sowjet­uni­on, der DDR oder Chi­na, ja. Aber in der Bun­des­re­pu­blik? An der augen­schein­li­chen Unmög­lich­keit die­ses Gedan­kens kann man im Grun­de erken­nen, wie gut die Mani­pu­la­ti­on der öffent­li­chen Mei­nung funk­tio­niert. Pro­pa­gan­da ist dann am erfolg­reichs­ten, wenn die Mani­pu­lier­ten die Beein­flus­sung gar nicht bemerken.

Bereits 1922 hat der ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­list und Publi­zist Wal­ter Lipp­mann in sei­nem Werk „Die öffent­li­che Mei­nung“ dar­ge­legt, dass Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel ihrem Wesen nach als Über­tra­gungs­mit­tel von Infor­ma­ti­on und Wer­tung grund­sätz­lich von Mani­pu­lier­bar­keit geprägt sind. Auf­bau­end auf den The­sen Lipp­manns beschreibt Edward Ber­nays, der Begrün­der der Theo­rie der Public Rela­ti­ons, in sei­nem 1928 erschie­ne­nem Werk „Pro­pa­gan­da“, wie und mit wel­chen Erkennt­nis­sen aus der Psy­cho­lo­gie und den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten die öffent­li­che Mei­nung gezielt gesteu­ert wer­den kann.

Bei­den Autoren ist gemein, dass sie eine prin­zi­pi­ell gerin­ge Auf­fas­sung von dem eigent­li­chen Sou­ve­rän in einer Demo­kra­tie, dem Volk, haben. Lipp­mann begrün­det den Bruch zwi­schen der Wirk­lich­keit und der öffent­li­chen Mei­nung mit der gerin­gen intel­lek­tu­el­len Anteil­nah­me und Bereit­schaft von Mit­glie­dern der Gesell­schaft, die Wirk­lich­keit als sol­che zu schät­zen. Ber­nays sieht die Stim­me des Vol­kes als Aus­druck des Volks­emp­fin­dens, das wie­der­um von der Mani­pu­la­ti­on der öffent­li­chen Mei­nung gesteu­ert wird. „Ein seriö­ser und talen­tier­ter Poli­ti­ker“ sei jedoch in der Lage, mit­hil­fe der Pro­pa­gan­da den Volks­wil­len zu for­men und zu kanalisieren.

Die nega­ti­ve Sicht­wei­se Lipp­manns und Ber­nays auf die Bevöl­ke­rung ist geprägt von dem fran­zö­si­schen Anthro­po­lo­gen Gust­ave Le Bon, der in sei­nem 1895 ver­öf­fent­lich­ten Werk „Psy­cho­lo­gie der Mas­sen“ jeder Men­schen­mas­se das ratio­na­le Den­ken und die Fähig­keit zu ver­nünf­ti­gen Ent­schei­dun­gen abspricht. Daher müss­ten die Mas­sen mit dem Anspre­chen von Emo­tio­nen und Instink­ten gesteu­ert wer­den. Als Mit­glie­der der Cre­el-Kom­mis­si­on, einer von US-Prä­si­dent Wood­row Wil­son 1917 ein­ge­rich­te­ten Behör­de, wel­che nach Ein­tritt der USA in den Ers­ten Welt­krieg die öffent­li­che Mei­nung an der Hei­mat­front beein­flus­sen soll­te, waren Lipp­mann und Ber­nays mit­ver­ant­wort­lich für die Pro­duk­ti­on teil­wei­se äußerst plum­per Pro­pa­gan­da, die sich damals gegen den Kriegs­geg­ner Deutsch­land richtete.

Die 2017 beim TV-Sen­der Arte ver­öf­fent­lich­te Doku­men­ta­ti­on „Edward Ber­nays und die Wis­sen­schaft der Mei­nungs­ma­che“ zeigt eine Aus­wahl die­ser sym­bol­be­la­de­nen Publi­ka­tio­nen, in denen deut­sche Sol­da­ten als Ver­ge­wal­ti­ger und Baby­mör­der dar­ge­stellt wer­den. Dass die­se Art der Kriegs­pro­pa­gan­da auch heu­te noch zum Reper­toire der Eli­ten gehört, um die Bevöl­ke­rung von der Not­wen­dig­keit eines Krie­ges zu über­zeu­gen, beweist bei­spiels­wei­se die so genann­te Brut­kas­ten­lü­ge aus dem Jahr 1990. Die Aus­sa­gen einer Hilfs­kran­ken­schwes­ter aus Kuwait, dass ira­ki­sche Sol­da­ten in ein Kran­ken­haus des besetz­ten Emi­rats ein­ge­drun­gen sei­en, früh­ge­bo­re­ne Babys aus ihren Brut­käs­ten geris­sen und auf dem Boden hät­ten ster­ben las­sen, ging damals um die gan­ze Welt. Spä­ter stell­te sich her­aus, dass die­se Nach­richt von einer US-ame­ri­ka­ni­schen PR-Agen­tur insze­niert wor­den und die angeb­li­che Kran­ken­schwes­ter in Wirk­lich­keit die Toch­ter des dama­li­gen kuwai­ti­schen Bot­schaf­ters in den USA sowie Mit­glied der kuwai­ti­schen Herr­scher­fa­mi­lie war.

Was erwar­ten die Medi­en­nut­zer von Journalisten?

Die Dumm­heit der Bevöl­ke­rung und die Tat­sa­che, dass die­se sowie­so über die Medi­en mani­pu­liert wird, reich­ten sowohl Lipp­mann als auch Ber­nays als ethisch ver­tret­ba­re Legi­ti­ma­ti­on dafür, dass die Eli­ten eines Lan­des mit­hil­fe der geziel­ten Beein­flus­sung der öffent­li­chen Mei­nung Poli­tik betrei­ben dür­fen, bei­spiels­wei­se über Medi­en­kam­pa­gnen, das Set­zen einer Agen­da und die Ein­bet­tung von Ereig­nis­sen und The­men in Deu­tungs­ras­ter und Erzähl­mus­ter – aber auch mit­tels plum­per Pro­pa­gan­da. Die Her­stel­lung einer ein­heit­li­chen Mei­nung über die Mas­sen­me­di­en sei sogar nütz­lich für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt und not­wen­dig, da nur die poli­ti­sche Eli­te in der Lage sei, die Kom­ple­xi­tät der Wirk­lich­keit in höhe­rem und ange­mes­se­nem Gra­de zu verstehen.

Die Kla­via­tur der Tech­ni­ken der Pro­pa­gan­da und Mei­nungs­ma­ni­pu­la­ti­on ist äußerst vari­an­ten­reich und seit ihrer ers­ten wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chung im frü­hen 20. Jahr­hun­dert stets erwei­tert wor­den. In ihrem 2004 ver­öf­fent­lich­ten Buch „Die Prin­zi­pi­en der Kriegs­pro­pa­gan­da“ stellt die bel­gi­sche His­to­ri­ke­rin Anne Morel­li die „10 Gebo­te“ der Kriegs­pro­pa­gan­da dar, Pro­pa­gan­da­tech­ni­ken, die von Poli­ti­kern und Medi­en zur ein­sei­ti­gen Bewer­bung ihrer Posi­ti­on in einem Krieg genutzt werden:

  • Wir wol­len kei­nen Krieg!
  • Der Geg­ner ist allein für den Krieg verantwortlich!
  • Der Füh­rer des feind­li­chen Lagers wird dämonisiert.
  • Wir ver­tei­di­gen ein edles Ziel und kei­ne beson­de­ren Interessen!
  • Der Feind begeht wis­sent­lich Grau­sam­kei­ten, wenn wir Feh­ler machen, geschieht dies unbeabsichtigt.
  • Der Feind benutzt uner­laub­te Waffen.
  • Wir erlei­den gerin­ge Ver­lus­te, die Ver­lus­te des Fein­des sind erheblich.
  • Aner­kann­te Kul­tur­trä­ger und Wis­sen­schaft­ler unter­stüt­zen unser Anliegen.
  • Unser Anlie­gen hat etwas Heiliges.
  • Wer unse­re Pro­pa­gan­da in Zwei­fel zieht, arbei­tet für den Feind und ist damit ein Verräter.

In dem 2003 ver­öf­fent­lich­ten Buch „Pro­pa­gan­da Tech­ni­ques“ des Autors Hen­ry T. Con­ser­va wer­den wei­te­re 89 ver­schie­de­ne Pro­pa­gan­da­tech­ni­ken dar­ge­stellt, mit denen ein Kon­sens in der öffent­li­chen Mei­nung erzeugt wer­den kann. Es fällt selbst Lai­en nicht schwer, anhand der Lis­te der Tech­ni­ken von Morel­li und Con­ser­va fest­zu­stel­len, dass sie im all­täg­li­chen poli­ti­schen Jour­na­lis­mus von den Autoren wie selbst­ver­ständ­lich ver­wen­det wer­den. Es bedarf ledig­lich einer ober­fläch­li­chen Beschäf­ti­gung mit den geo­po­li­ti­schen Inter­es­sen der USA und ande­rer west­li­chen Staa­ten, um zu erken­nen, dass die Redak­tio­nen west­li­cher Mas­sen­me­di­en alles unter­neh­men, um genau die­se Inter­es­sen unkennt­lich zu machen.

Dem gegen­über ste­hen sowohl das Selbst­ver­ständ­nis der Jour­na­lis­ten als auch die Erwar­tun­gen, die Medi­en­nut­zer an die schrei­ben­de Zunft stel­len. In einer 2020 vom Hans-Bre­dow-Insti­tut ver­öf­fent­lich­ten Stu­die wur­den nach einer reprä­sen­ta­ti­ven Umfra­ge unter Medi­en­nut­zern und Jour­na­lis­ten von bei­den Sei­ten ins­be­son­de­re die objek­ti­ve Bericht­erstat­tung, die infor­ma­ti­ons- und erklä­rungs­be­zo­ge­ne Funk­ti­on der Ein­ord­nung und Ana­ly­se aktu­el­ler Gescheh­nis­se sowie der Aspekt der „Watch­dog-Rol­le“, womit das Auf­de­cken von Miss­stän­den gemeint ist, als sehr wich­tig und extrem wich­tig ein­ge­schätzt. Wie kann es sein, dass der Selbst­an­spruch sowie die Erwar­tun­gen der Medi­en­nut­zer auf der einen und die Rea­li­tät auf der ande­ren Sei­te so weit auseinanderklaffen?

Das Pro­pa­gan­da­mo­dell von Chom­sky und Herman

In dem 1988 ver­öf­fent­lich­ten Werk „Manu­fac­tu­ring Con­sent: The Poli­ti­cal Eco­no­my of the Mass Media“ bezeich­ne­te Noam Chom­sky die von Lipp­mann pro­pa­gier­te Beein­flus­sung der Mas­sen als „Zuschau­er­de­mo­kra­tie“, wel­che die tat­säch­li­chen Macht­ver­hält­nis­se ver­schlei­ert. Zusam­men mit sei­nem Co-Autor Edward S. Her­man ent­wi­ckel­te Chom­sky das Pro­pa­gan­da­mo­dell, anhand des­sen gezeigt wird, wie die Struk­tur der Mas­sen­me­di­en in kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaf­ten eine objek­ti­ve Bericht­erstat­tung von vorn­her­ein ver­hin­dert und wie gro­ße Medi­en­kon­zer­ne ohne zen­tra­le Steue­rung einen Kon­sens im Inter­es­se einer gesell­schaft­li­chen Ober­schicht her­stel­len, wäh­rend gleich­zei­tig der Anschein eines demo­kra­ti­schen Pro­zes­ses der Mei­nungs­bil­dung und der Kon­sens­fin­dung gewahrt blei­be. Ver­ant­wort­lich dafür sind laut Chom­sky und Her­man fünf Fil­ter, die uner­wünsch­te Nach­rich­ten von der Bevöl­ke­rung fern­hal­ten. Die nach­fol­gen­de Dar­stel­lung ent­stammt den deutsch- und eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia-Bei­trä­gen zum Pro­pa­gan­da­mo­dell und wur­de von mir mit Erläu­te­run­gen sowie Bei­spie­len aus Deutsch­land ergänzt.

1. Fil­ter: Die Eigen­tums­ver­hält­nis­se der Medien

Um abseits des Inter­nets ein Mas­sen­me­di­um zu betrei­ben, bedarf es eines erheb­li­chen finan­zi­el­len Auf­wands. Print­me­di­en benö­ti­gen Ver­la­ge, Dru­cker­pres­sen und ein Ver­triebs­sys­tem, Radio- und Fern­seh­sen­der ent­spre­chen­des tech­ni­sches Equip­ment und Sen­de­an­la­gen. Die hohe Ein­stiegs­hür­de stellt sicher, dass nur eine finan­zi­ell pri­vi­le­gier­te Schicht in den Besitz von klas­si­schen Mas­sen­me­di­en gelan­gen kann. Hin­zu kommt, dass vie­le ehe­ma­li­ge klei­ne­re Medi­en­an­ge­bo­te mitt­ler­wei­le ganz oder in Tei­len zu einem Kon­glo­me­rat gehö­ren. Hin­ter der schein­ba­ren Medi­en­viel­falt ste­cken in Wirk­lich­keit nur weni­ge Groß­kon­zer­ne, deren Eigen­tü­mer, auch in Deutsch­land, zu den weni­gen Mul­ti­mil­lio­nä­ren und Mil­li­ar­dä­ren gehören.

Der­ar­ti­ge Kon­glo­me­ra­te gehen, so Chom­sky und Her­man, zudem häu­fig über die tra­di­tio­nel­len Medi­en­be­rei­che hin­aus und haben daher umfang­rei­che finan­zi­el­le Inter­es­sen, die durch die Ver­öf­fent­li­chung bestimm­ter Infor­ma­tio­nen gefähr­det wer­den kön­nen. Der größ­te deut­sche Medi­en­kon­zern, Ber­tels­mann, ist bei­spiels­wei­se auch in der Dienst­leis­tungs­bran­che und im Bil­dungs­be­reich aktiv. Dem­nach wer­den Nach­rich­ten, die die finan­zi­el­len Inter­es­sen der Medi­en­kon­zer­ne am meis­ten gefähr­den, am stärks­ten ver­zerrt und zen­siert, ins­be­son­de­re jeg­li­che Kapi­ta­lis­mus­kri­tik. Dar­aus folgt, dass, wenn Gewinn­ma­xi­mie­rung bedeu­tet, dass die Objek­ti­vi­tät der Nach­rich­ten geop­fert wird, die Nach­rich­ten­quel­len, die letzt­end­lich über­le­ben, grund­sätz­lich par­tei­isch sein müs­sen, und zwar in Bezug auf Nach­rich­ten, bei denen sie einen Inter­es­sen­kon­flikt haben.

Eine Son­der­stel­lung neh­men in Deutsch­land die öffent­lich-recht­li­chen Medi­en­an­ge­bo­te ein. Die Lan­des­rund­funk­an­stal­ten der ARD, das ZDF und Deutsch­land­ra­dio wer­den von Rund­funk­rä­ten kon­trol­liert. Die­se wer­den jedoch von den Ver­tre­tern der stärks­ten Par­tei­en der Land­ta­ge und des Bun­des­tags domi­niert. Sie sind es auch, wel­che die gesetz­li­chen Bestim­mun­gen zur Zusam­men­set­zung der Räte fest­le­gen. Die Bei­trags­zah­ler haben bei der Zusam­men­set­zung der Räte kei­ner­lei Mit­spra­che- oder Wahl­recht. Die öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stal­ten sind daher im Grun­de das Sprach­rohr der stärks­ten Par­tei­en in den Land­ta­gen und im Bundestag.

2. Fil­ter: Werbung

Kon­su­men­ten von Print­me­di­en könn­ten der Illu­si­on ver­fal­len sein, dass ihr prä­fe­rier­tes Medi­um sich größ­ten­teils aus dem Ver­kaufs­preis finan­ziert. Tat­säch­lich liegt der Anteil des Ver­kaufs von Wer­be­flä­chen in Tages- und Wochen­zei­tun­gen bei deren Finan­zie­rung in Deutsch­land bei bis zu 67 Pro­zent. Bei den kos­ten­lo­sen Ange­bo­ten von pri­va­ten Fern­seh­sen­dern, Inter­net­ma­ga­zi­nen und Social Media liegt die­ser Anteil sogar bei annä­hernd 100 Pro­zent. Auch die öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stal­ten sind bei ihrer Finan­zie­rung auf Wer­be­ein­nah­men ange­wie­sen. So liegt deren Anteil bei der ARD nach eige­nen Anga­ben bei sechs Pro­zent. In allen Medi­en herrscht daher ein har­ter Wett­be­werb um Anzei­gen­kun­den. Ein Medi­um, das weni­ger Wer­bung erhält als sei­ne Kon­kur­ren­ten, ist ernst­haft im Nachteil.

Auf­grund der vor­der­grün­di­gen Kos­ten­de­ckung und Gewinn­ori­en­tie­rung der Medi­en­häu­ser sind nicht die Inhal­te der jewei­li­gen Aus­ga­ben bezie­hungs­wei­se des jewei­li­gen Pro­gramms – Nach­rich­ten, Unter­hal­tungs­sen­dun­gen und Bil­dungs­an­ge­bo­te – das eigent­li­che Pro­dukt, son­dern die Wer­be­flä­chen. Die eigent­li­chen Kun­den sind nicht die Medi­en­kon­su­men­ten, son­dern die Unter­neh­men, die für die Wer­bung ihrer Ange­bo­te bezah­len. Dem­zu­fol­ge sind auch Nach­rich­ten nur Füll­ma­te­ri­al, um die zah­lungs­kräf­ti­gen Kon­su­men­ten dazu zu brin­gen, die Anzei­gen zu sehen, die den eigent­li­chen Inhalt ausmachen.

Inhal­te, die der Kauf­lau­ne der Rezi­pi­en­ten zuwi­der­lau­fen, so die The­se von Chom­sky und Her­man, wer­den ten­den­zi­ell an den Rand gedrängt oder aus­ge­schlos­sen, eben­so wie Infor­ma­tio­nen, die ein Welt­bild ver­mit­teln, das mit den Inter­es­sen der Wer­be­trei­ben­den kol­li­diert. Chom­skys und Her­mans Theo­rie besagt, dass letzt­end­lich die Men­schen, die ein Medi­um kon­su­mie­ren, das Pro­dukt sind, das an die Unter­neh­men ver­kauft wird, die wie­der­um Wer­be­flä­chen kau­fen. Die Nach­rich­ten selbst spie­len als Pro­dukt nur eine unter­ge­ord­ne­te Rolle.

3. Fil­ter: Nachrichtenquellen

Wenn man die Nach­rich­ten in popu­lä­ren Tages- und Wochen­zei­tun­gen sowie Inter­net­ma­ga­zi­nen wie spiegel.de, zeit.de, sueddeutsche.de oder taz.de ver­folgt, dann fin­den sich zu Beginn oder am Ende der Bei­trä­ge häu­fig Kür­zel wie „dpa“, „afp“, „ap“ oder „rtr“. Mit die­sen Ver­wei­sen geben die Autoren an, wel­che Quel­le sie für ihre Nach­richt ver­wen­det haben. Die Kür­zel ste­hen für die größ­te deut­sche Nach­rich­ten­agen­tur, die Deut­sche Pres­se-Agen­tur, sowie die drei größ­ten inter­na­tio­na­len Nach­rich­ten­agen­tu­ren, die fran­zö­si­sche Agence France-Pres­se, die US-ame­ri­ka­ni­sche Asso­cia­ted Press und die US-ame­ri­ka­ni­sche/­ka­na­di­sche Nach­rich­ten­agen­tur Thom­son Reu­ters.

Nach­rich­ten- und Pres­se­agen­tu­ren sind Medi­en­un­ter­neh­men, die den Mas­sen­me­di­en vor­ge­la­gert sind. Sie stel­len regio­na­le und inter­na­tio­na­le Nach­rich­ten zusam­men und ver­kau­fen sie an ihre Abneh­mer: regio­na­le und über­re­gio­na­le Tages­zei­tun­gen, Wochen­ma­ga­zi­ne, Radio­sen­der und Fern­seh­an­stal­ten. Die Agen­tu­ren fun­gie­ren dabei als so genann­te „Gate­kee­per“ (zu Deutsch: Tor­wäch­ter). Sie ent­schei­den letzt­end­lich, wel­che Nach­richt eine Ver­brei­tung fin­det und wel­che nicht. Dabei spielt auch der Markt­wert der Nach­richt eine Rol­le, denn Nach­rich­ten­agen­tu­ren sind kos­ten­de­ckend und gewinn­ori­en­tiert arbei­ten­de Unternehmen.

Eine wei­te­re, häu­fig ver­wen­de­te Nach­rich­ten­quel­le stel­len die PR-Agen­tu­ren von Regie­run­gen, Par­tei­en, Behör­den, Han­dels­or­ga­ni­sa­tio­nen und Wirt­schafts­un­ter­neh­men dar, die regel­mä­ßig Pres­se­kon­fe­ren­zen abhal­ten und vor­ge­fer­tig­te Pres­se­mit­tei­lun­gen her­aus­ge­ben. Redak­teu­re und Jour­na­lis­ten, die die­se Nach­rich­ten­quel­len belei­di­gen, etwa indem sie den Wahr­heits­ge­halt oder die Vor­ein­ge­nom­men­heit des bereit­ge­stell­ten Mate­ri­als in Fra­ge stel­len, kön­nen damit bedroht wer­den, dass ihnen der Zugang ver­wehrt wird. Daher zögern die Medi­en, Arti­kel zu ver­öf­fent­li­chen, die den Inter­es­sen der­je­ni­gen scha­den, die sie mit den Res­sour­cen ver­sor­gen, von denen sie abhän­gig sind.

4. Fil­ter: Nega­ti­ve Kritik

Medi­en sind sehr stark von posi­ti­ver Reso­nanz abhän­gig, auch von der Reso­nanz in ande­ren Medi­en. Wür­den bestimm­te Nach­rich­ten, Hal­tun­gen oder Pro­gram­me von offi­zi­el­len Stel­len kri­ti­siert oder in ande­ren Medi­en nega­tiv bespro­chen, kön­ne das für die kri­ti­sier­ten Medi­en­un­ter­neh­men kost­spie­li­ge Kon­se­quen­zen wie etwa Ver­leum­dungs­kla­gen nach sich zie­hen und einen mög­li­chen Repu­ta­ti­ons­ver­lust bedeu­ten. Neben den nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf den Infor­ma­ti­ons­zu­lauf könn­ten nega­ti­ve Rück­mel­dun­gen zu Pro­gram­men und Bei­trä­gen auch Pro­ble­me mit den Wer­be­trei­ben­den erzeu­gen. Die­se sähen sich gezwun­gen, nega­ti­ve Kri­tik durch einen gekränk­ten Kun­den­kreis zu ver­hin­dern. Sie set­zen daher Medi­en­un­ter­neh­men unter Druck, mög­lichst mas­sen­taug­li­che Pro­gram­me zu pro­du­zie­ren. Im Gegen­satz zu den ers­ten drei Fil­ter­me­cha­nis­men, die sich aus der Ana­ly­se von Markt­me­cha­nis­men ablei­ten, zeich­net sich der vier­te Fil­ter durch kon­zer­tier­te Anstren­gun­gen zur Ver­wal­tung öffent­li­cher Infor­ma­tio­nen aus.

5. Fil­ter: Ideo­lo­gi­scher Rahmen

Eine Bericht­erstat­tung ist nie­mals frei von der jeweils vor­herr­schen­den Ideo­lo­gie. Auch west­li­che Demo­kra­tien sind nicht frei davon. Sie mani­fes­tiert sich in den Grund­rech­ten sowie in den pro­pa­gier­ten Wer­ten wie Frei­heit, Recht auf Eigen­tum und der über allem ste­hen­den Wirt­schafts­ord­nung. Die Regeln des Kapi­ta­lis­mus wer­den in die­sem Zusam­men­hang häu­fig mit allen Mit­teln der Pro­pa­gan­da wie ein Natur­ge­setz dar­ge­stellt, das qua­si das natür­li­che wirt­schaft­li­che Zusam­men­le­ben von Men­schen beschreibt – obwohl es sich bei dem Glau­bens­grund­satz, dass man, wie in einem Spiel­ka­si­no, allein mit dem Ein­satz von Geld end­los mehr Geld gewin­nen kann, ein­deu­tig um eine Ideo­lo­gie handelt.

Anti-Ideo­lo­gien nut­zen die öffent­li­che Angst und den Hass auf Grup­pen aus, die eine poten­zi­el­le Bedro­hung dar­stel­len, sei sie real, über­trie­ben oder ein­ge­bil­det. Eine sol­che Dar­stel­lung wird oft als Mit­tel ein­ge­setzt, um Stim­men zum Schwei­gen zu brin­gen, die den Inter­es­sen der Eli­te kri­tisch gegen­über­ste­hen. Frü­her stell­te der Kom­mu­nis­mus nach die­sem Modell die größ­te Bedro­hung dar. Kom­mu­nis­mus und Sozia­lis­mus wur­den von ihren Geg­nern als Bedro­hung der Rede‑, Bewe­gungs- und Pres­se­frei­heit dar­ge­stellt. Nach dem Ende des Kal­ten Krie­ges Anfang der 1990er Jah­re ist der Anti­kom­mu­nis­mus als ideo­lo­gi­scher Fak­tor in den west­li­chen Medi­en zurück­ge­tre­ten und der „Krieg gegen den Ter­ror“ zu einem nütz­li­chen Ersatz für die sowje­ti­sche Bedro­hung gewor­den. Seit dem Aus­bruch der Bür­ger­krie­ge in Syri­en und der Ukrai­ne sind auch Russ­land und der rus­si­sche Prä­si­dent Wla­di­mir Putin wie­der zur Pro­jek­ti­ons­flä­che einer gegen den Wes­ten und sei­ne Wer­te gerich­te­ten Gefahr mutiert.

Wenn man nach den Erkennt­nis­sen über die ein­fluss­rei­chen Mas­sen­me­di­en, die das Pro­pa­gan­da­mo­dell von Chom­sky und Her­man offen­ba­ren, noch bereit ist, den Nach­rich­ten in den ein­fluss­rei­chen Mas­sen­me­di­en eine objek­ti­ve Bericht­erstat­tung zuzu­schrei­ben, kann man auch getrost an die Objek­ti­vi­tät der direkt dane­ben, bezie­hungs­wei­se im Wer­be­block zuvor abge­bil­de­ten Pro­dukt­in­for­ma­tio­nen in den Wer­be­an­zei­gen glau­ben. Es wird anhand des Pro­pa­gan­da­mo­dells zudem deut­lich, dass sich kri­ti­scher Jour­na­lis­mus in den ein­fluss­rei­chen Mas­sen­me­di­en kaum durch­set­zen kann. Die dort Beschäf­tig­ten müs­sen sich also ent­we­der den Vor­ga­ben ihrer Arbeit­ge­ber und Fian­ziers anpas­sen oder sich neu­en Nach­rich­ten­ka­nä­len und Ver­dienst­mög­lich­kei­ten zuwenden.

Das Inter­net als Game-Changer

Chom­sky und Her­man stell­ten fest, dass die Struk­tur der Nach­rich­ten­bran­che nicht immer so nach­tei­lig hin­sicht­lich einer aus­ge­wo­ge­nen Bericht­erstat­tung war. Im frü­hen 19. Jahr­hun­dert, als in Lon­don die ers­ten Wochen­zei­tun­gen pro­du­ziert wur­den und deren Her­stel­lungs­kos­ten noch ver­gleichs­wei­se gering waren, konn­te sich eine radi­ka­le Pres­se ent­wi­ckeln, wel­che die Belan­ge der arbei­ten­den Klas­se ansprach. Erst mit der Ein­füh­rung einer über­höh­ten Urkun­den­steu­er, die den Besitz von Zei­tun­gen auf die Wohl­ha­ben­den beschrän­ken soll­ten, begann sich das Gesicht der Pres­se zu verändern.

Die Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie und das Inter­net haben die Pro­duk­ti­on und die Ver­brei­tung von Nach­rich­ten radi­kal revo­lu­tio­niert. Mit gerin­gem Auf­wand kann heut­zu­ta­ge jeder ein­zel­ne von uns im Prin­zip ein Mil­li­ar­den­pu­bli­kum ohne zeit­li­che Ver­zö­ge­rung errei­chen. Zudem steht uns mit dem Inter­net die größ­te Wis­sens­da­ten­bank der bis­he­ri­gen Mensch­heits­ge­schich­te zur Ver­fü­gung. Regie­run­gen, Behör­den, Uni­ver­si­tä­ten, Wirt­schafts­ver­bän­de und Unter­neh­men stel­len im Inter­net Stu­di­en und Roh­da­ten bereit, anhand derer sich neue Erkennt­nis­se gewin­nen und sich vie­le, mit Mit­teln der Pro­pa­gan­da erzeug­te öffent­li­che Mei­nun­gen auf ihren Wahr­heits­ge­halt über­prü­fen lassen.

Wie anhand des Pro­pa­gan­da­mo­dells von Chom­sky und Her­man gezeigt, kann grund­sätz­lich nur ein von den Nut­zern finan­zier­ter und wer­be­frei­er Jour­na­lis­mus wirk­lich unab­hän­gig sein. Und nur eine Bericht­erstat­tung, die mit einem wis­sen­schaft­li­chen Ansatz und der Aus­wer­tung mög­lichst objek­ti­ver Daten aktu­el­le Gescheh­nis­se ana­ly­siert und ein­ord­net, kann den Anspruch erhe­ben, annä­hernd objek­tiv zu sein.